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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 13.07.2001
Aktenzeichen: 10 U 1491/00
Rechtsgebiete: AUB 88


Vorschriften:

AUB 88 § 7l(2)
AUB 88 § 11 IV
Gesundheitliche Spätschäden können nach Ablauf der Dreijahresfrist auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn dies zu einer Erhöhung des Invaliditätsgrades führt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH zur Verjährungsproblematik des § 852 BGB (Urteil 3.6.1997 - VI ZR 71/96) ist auf den Anwendungsbereich des § 11 IV AUB 88 nicht übertragbar. Der Versicherer bezweckt mit dieser Vertragsklausel für die Bemessung der Invaliditätsentschädigung eine eindeutige und für alle Beteiligten berechenbare Regelung zu finden, die das kalkulierte Risiko auch in Relation zur Höhe der vom Versicherungsnehmer zu entrichtenden Beiträge setzt.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL (abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)

Verkündet am 13. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Weiss und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Binz und Dr. Reinert auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 12. September 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht für die Bemessung des Invaliditätsgrades einen Dreijahreszeitraum zugrunde gelegt. Der Senat schließt sich den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug, § 543 Abs. 1 ZPO. Das Berufungsvorbringen gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Invaliditätsentschädigung aus einer Unfallversicherung in Anspruch, die er 1986 abgeschlossen hatte.

Am 23.6.1995 stürzte der Kläger aus ca. 1 m Höhe von einer Leiter, wobei er eine Trümmerfraktur des linken Schienbeinkopfes erlitt. Dieser Knochenbruch ist trotz Versorgung mit 3 Spongiosaschrauben nicht richtig verheilt, mit der Folge, dass eine Verkürzung des linken Beines um 1 cm und eine Skoliose der Lendenwirbelsäule eingetreten ist. Hinzu kommt eine deutliche Sekundärarthrose des linken Kniegelenkes.

Die Parteien streiten über die Schwere der Verletzung und die daraus resultierende Höhe der dem Kläger zustehenden Versicherungssumme.

Am 8.6.1998 wurde auf Antrag der Beklagten ein Gutachten von Dr. B, Arzt für Orthopädie, erstellt, das den unfallbedingten Dauerschaden im Bereich des linken Beines mit 1/4 Beinwert ansetzte. Die Beklagte erkannte mit Schreiben vom 7.7. 1998 einen daraus resultierenden Entschädigungsbetrag in Höhe von 28.000,-- DM an, der an den Kläger ausgezahlt würde.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der im Bereich des linken Kniegelenkes verbleibende Dauerschaden einen Beinwert von 1/2 rechtfertige und begehrt die Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 56.000,-- DM.

Der Kläger hat vorgetragen, aufgrund der Labilität des sog. Schlotterknies und einer vorhandenen Verletzung der Bänder des rechten Knies könne er sich praktisch nicht mehr fortbewegen, so dass seine Verletzung einer völligen Funktions- und Bewegungsunfähigkeit des linken Beines gleichgestellt werden müsse.

Nach der progressiven Invaliditätsstaffel erhöhe sich die versicherte Invaliditätssumme bei einem Invaliditätsgrad von 50 % gegenüber einer Unfallversicherung ohne Progression auf den Wert von 75 %. Die zu zahlende Versicherungssumme betrage daher 160.000,-- DM x 70 % (für die Funktionsunfähigkeit eines Beines) x 75 % (für die progressive Invaliditätsstaffel) = 84.000,-- DM. Nachdem seitens der Beklagten 28.000,-- DM gezahlt worden seien, ergebe sich nunmehr noch eine Forderung in Höhe von 56.000,-- DM.

Das Landgericht hat der Klage nur teilweise entsprochen und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag von 9.296,-- DM zu zahlen. Es hat unter Berücksichtigung eines auf den Dreijahreszeitraums nach dem Unfallereignis bezogenen Stichpunktes eine Beeinträchtigung des linken Beines von 1/3 Beinwert angenommen. Im Übrigen ist die Klage mit der Begründung abgewiesen worden, der Kläger könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht den Nachweis führen, dass er innerhalb dieses Zeitraums, d.h. bis 23.6.1998 eine Beeinträchtigung des Beines mit einem Invaliditätsgrad von 1/2 Beinwert habe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er begehrt, die Beklagte unter Abzug geleisteter 28.000,-- DM und 9.296,-- DM zur Zahlung eines weiteren Betrages von 18.704,-- DM (Differenz zwischen 1/3 Beinwert und 1/2 Beinwert) zu verurteilen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

1) Das Landgericht ist bei der Bemessung der Invaliditätsentschädigung nach §§ 7 I (2), 11 AUB 88 zutreffend von einem Invaliditätsgrad von 1/3 Beinwert ausgegangen. Der Kläger hat in der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht den Nachweis führen können, dass die auf Dauer resultierenden funktionellen Störungen einen Invaliditätsgrad von 1/2 Beinwert haben. Richtig ist zwar, dass der Sachverständige Prof. Dr. H zunächst in seinem Gutachten vom 19.7.1999 einen Invaliditätsgrad des linken Beines von 1/2 Beinwert angenommen hatte. Dabei hat er jedoch nicht berücksichtigt, dass nach § 11 Abs. 4 AUB 88 für die Pflicht des Unfallversicherers zur Leistung einer Invaliditätsentschädigung derjenige Gesundheitszustand des Versicherers maßgebend ist, der am Ende der vom Unfalltag an laufenden Frist von drei Jahren prognostizierbar ist (BGH NJWRR 1988, 987 = VersR 1988, 798; VersR 1981, 1151; für § 13 Abs. 3 a AUB 61, der mit § 11 Abs.4 jedenfalls hinsichtlich des Prognosezeitraums identisch ist). In seinem Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige Prof. Dr. H bezogen auf den Stichtag 23.6.1998 einen unfallbedingten Dauerschaden von mindestens 113 Beinwert angenommen. Den von Dr. B geschätzten Beinwert von 1/4 hat Prof. H als zu gering eingeschätzt.

2) Die Berufung wendet sich ohne Erfolg gegen die zeitliche Beschränkung der eingetretenen Invalidität innerhalb des Dreijahreszeitraums. Die Berufung meint, dass gesundheitliche Spätschäden auch nach Ablauf der Dreijahresfrist noch zu berücksichtigen seien, wenn dies zu einer Erhöhung des Invaliditätsgrades führe. Die Berufung bezieht sich dabei auf ein Urteil des 6. Zivilsenats des BGH vom 3.6.1997 (VI ZR 71/96). Der 6. Zivilsenat des BGH hat dort ausgeführt, dass dann, wenn eine Schadensfolge auch für Fachleute im Zeitpunkt der allgemeinen Kenntnis vom Schaden nicht vorhersehbar ist; die Kenntnis dieser Schadensfolge jedoch in den beteiligten Fachkreisen heranwachse, es dann für den Beginn der Verjährung nicht darauf ankomme, in welchem Zeitpunkt sich diese Kenntnis in den beteiligten Fachkreisen durchgesetzt habe. Vielmehr sei der Zeitpunkt entscheidend, in dem der Verletzte selbst von der Schadensfolge Kenntnis erlangt habe. Diese Entscheidung betrifft demnach die Verjährungsproblematik des § 852 BGB und ist auf den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 4 AUB 88 nicht übertragbar, der nicht das allgemeine Deliktsrecht, sondern das versicherungsrechtliche Vertragsverhältnis zwischen den Parteien betrifft. Der Versicherer bezweckt mit dieser Vertragsklausel für die Bemessung der Invaliditätsentschädigung eine eindeutige und für alle Beteiligten berechenbare Regelung zu finden, die das kalkulierte Risiko auch in Relation zur Höhe der vom Versicherungsnehmer zu entrichtenden Beiträge setzt. Der Vergleich zur Verjährungsregelung im allgemeinen Deliktsrecht passt nicht. Da sachliche Einwände gegen das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H nicht erhoben werden, war die Berufung aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer des Klägers belaufen sich auf 18.704,-- DM.

Ende der Entscheidung

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